Leseprobe


Mineralogen und Geologen in Breslau
- Geschichte der Geowissenschaften an der Universität Breslaus von 1811 bis 1945 -

Karl von Raumer (1811-1819) - Breslaus erster Geologieprofessor


Wer war der Mann, der 1811 als erster Geologe nach Breslau berufen wurde, an eine Universität, in der die Naturwissenschaften bis dahin noch nicht vertreten waren? Es gab dafür weder Räumlichkeiten, noch Studenten oder gar Studienpläne. Wenig attraktiv muß dieser Lehrstuhl gewesen sein, denn eine solche Aufbauarbeit war schon damals eine große Ausnahmesituation, der sich erfahrene und bereits gut situierte Professoren nicht gerne stellten. Sollte derjenige einerseits ein erfahrener Hochschullehrer sein, so war er andererseits gut beraten, auch den Typ eines Abenteurers zu verkörpern. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, stand er vor der schwierigen Lage, gleichsam aus dem Nichts heraus in kurzer Zeit sein spärliches Gehalt durch möglichst viel Hörergelder aufbessern zu müssen. Schwerer wog möglicherweise der Umstand, dass sowohl die einheimischen, d.h. in Breslau schon ansässigen Professoren aus der Jesuitenzeit, als auch die aus Frankfurt/Oder übernommenen, etablierten Professoren, den neu berufenen, zumal jüngeren Amtskollegen wenig Raum ließen. Überdies stand auch das gesellschaftliche Umfeld in der Stadt Breslau modernen Lebensformen und weltoffenem Denken noch sehr reserviert gegenüber.

Es war ein glücklicher Umstand, daß Karl von Raumer seine Rolle als Abenteurer selbst so verstand, dass er die Geschehnisse jener Aufbruchphase sehr aufmerksam und kritisch verfolgt und dass er mit der Aufzeichnung seines Lebensweges der Nachwelt ein wertvolles Zeitdokument hinterlassen hat (v. Raumer, 1866). Aber davon später.

Auf einem großen Landgut des Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau in Wörlitz wurde Karl von Raumer am 9. April 1783 geboren. Sein Vater war dort Kammerdirektor und leitete die Landwirtschaft. Wie der Vater war auch die Mutter, Tochter eines Predigers aus dem Dessauschen Lande, eine tief religiöse Frau. Trotz ihrer großen Schar von 7 Kindern erzog sie diese von Anfang an selbst, lehrte sie lesen und schreiben und brachte ihnen Französisch bei. Karl erhielt mit 8 Jahren, zusammen mit seinem älteren Bruder Friedrich, bereits Lateinunterricht. Seine Kindheitserinnerungen enthalten einige wenige Episoden, die sicherlich als Schlüsselerlebnisse für sein späteres Leben gelten können, sonst hätte er sie der späten Erwähnung wohl nicht für wichtig gehalten. Einmal erzählt er, wie er als leidenschaftlicher Schlittschuhläufer auch im Sommer etwas ähnliches unter den Füßen haben wollte und sich heimlich Schlittschuhe mit je drei Holzrädern anfertigen ließ, die sich aber nicht bewegten und ihn damit wegen seiner unglücklichen Erfindung zum Gespött der ganzen Familie gemacht hatten. Als er viele Jahre später sein Professorenamt in Breslau antrat, fand er sie in seinem Umzugsgepäck, das ihm seine Schwester nachgesandt hatte, als symbolische Starthilfe wieder. Trotz unbeschwerter Kindheit, verfolgte ihn andererseits aber ein Trauma, das von einer grausamen Erziehungsweise des Hofmeisters herrührte, wenn die Eltern auf Reisen waren. So wurde er frühzeitig aus seiner kindlichen Spielphase gerissen und suchte Flucht in zunehmend geistiger Beschäftigung. Glücklicherweise blieb ihm auch eine Erziehung bei einem Ziethenschen Husarenregiment erspart, in das ihn die Eltern nicht ganz gegen seinen eigenen
Willen geben wollten. So kam er stattdessen 14-jährig in ein Gymnasium nach Berlin, das bereits sein älterer Bruder besuchte und wo beide bei einem Onkel, dem Präsidenten von Gerlach, wohnen durften.

Nach dem Besuch des Gymnasiums wechselte Karl von Raumer im Jahre 1801 nach Göttingen, um dem Wunsch des Vaters und vor allem dem Rat seines Bruders Friedrich folgend, ein Jurastudium zu beginnen. Wie zu erwarten war, belegte er, seiner innersten Neigung folgend, nebenbei dennoch auch nichtjuristische Fächer und hörte Naturgeschichte und Mineralogie bei Blumenbach. Auch studierte er Kunst und Musik, lernte Klavierspielen und belegte schließlich auch noch literarische Fächer und Sprachen. In den Semesterferien unternahm er seine ersten größeren Reisen, die ihn u.a. bis in die Schweiz führten.

Bereits Ostern 1803 verließ er Göttingen wieder und ging nach Halle; dies tat er nicht etwa, um sein Studium noch zu intensivieren, sondern weil er das Bedürfnis verspürte, etwas müßig zu gehen. So belegte er ein Semester gar nicht, stattdessen umgab er sich mit gleichgesinnten Freunden und frönte der Poesie, indem er in den Gartenlauben am Saaleufer ausdauernde Literaturlesungen veranstaltete. Erst zum Wintersemester setzte er sein Jurastudium mit großem Eifer wieder fort, denn es blieb nicht mehr viel Zeit bis zum Examen. Aufmerksam gemacht von einem Freunde, hörte er nebenbei die Vorlesungen über die Naturgeschichte der Erde bei Henrich Steffens und ahnte vorerst nicht, welche Veränderung seiner beruflichen Laufbahn er damit einleitete. Beide lernten sich näher kennen, wurden innige Freunde und schließlich führte Steffens ihn in das Haus seines Schwiegervaters, des Hofkapellmeisters Johann Friedrich Reichardt in Giebichenstein ein. Dort lernte er nicht nur einige berühmte und einflußreiche Männer, unter ihnen den Theologen und Pädagogen Friedrich Schleiermacher kennen, dessen Vorlesungen er dann auch besuchte, sondern auch die jüngere Tochter Friederika.

........... weiter geht's im Buch.


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